2015-03-04-dechant-wessing-kl„Mit Recht nennt man Dechant August Wessing den Heiligen von Dachau“, sagte der damalige Bischof von Münster Clemens August Graf von Galen am 19. Juli 1945. An diesem Tag feierte er das Requiem für den am 4. März 1945 im Konzentrationslager Dachau ums Leben gekommenen August Wessing und stellte dessen Asche in den Sockel des Hoetmarer Friedhofskreuzes. Das Friedhofskreuz bildete auch am Mittwochabend den Treffpunkt für zahlreiche Gläubige, um dem 70. Todestag des ehemaligen Hoetmarer Dechanten zu gedenken. Nach einer kurzen Andacht zogen die Gläubigen am neu gestalteten Gedenkstein vor der Dechant-Wessing-Grundschule weiter zur Lambertuskirche. Dort zelebrierte Pater Joy den Gottesdienst, der vom Kirchenchor St. Lambertus musikalisch untermalt wurde und in dem Mechthild Wildemann aus dem Leben von August Wessing berichtete.
     Im Anschluss an den Gottesdienst waren alle Interessierten ins Pfarrheim eingeladen, wo Marita Borgmann zunächst einen Bildervortrag hielt. August Wessing sei 1880 in Tungerloh bei Gescher als zweites von sieben Kindern und Sohn schlichter und frommer Bauern geboren worden: „Eigentlich sollte er den Hof erben, jedoch wollte Wessing früh Priester werden.“ Nach dem Abitur und Studium sei er 1907 schließlich zum Priester geweiht worden und anschließend 17 Jahre Kaplan in Recklinghausen und acht Jahre Kaplan in Lüdinghausen gewesen. Bei beiden Stationen habe er sich stets um Menschen ganz gleich welcher Herkunft in Not gekümmert. „In Recklinghausen nannte man ihn den Polenkaplan“, so Borgmann.
     1932 wurde August Wessing zum Priester in Hoetmar und 1939 zum Dechant im Dekanat Freckenhorst ernannt. Wie Marita Borgmann und Mechthild Wildemann berichteten, habe er beispielsweise die Sakristei gebaut oder die Linden in Buddenbaum, unter deren Blätterdach bis heute Gottesdienste gefeiert werden, gepflanzt. Als seine wichtigste Aufgabe habe der tiefgläubige Wessing aber immer die Verkündigung des Wort Gottes gesehen. Direkt nach der Machtergreifung Hitlers, habe Wessing den „Unglauben“ der Nationalsozialisten erkannt. In der Kirchenzeitung habe der Dechant geschrieben „Unser Führer heißt Christus“ und als Religionsunterricht in den Schulen verboten wurde, habe er zwei Räume im Pfarrhaus für diese Zwecke umgebaut. Weiterhin habe er die Predigten von Bischof Graf von Galen verteilt oder eine religiöse Woche durchgeführt.
     2015-03-04-dechant-wessing-02-kl „Als der Dechant einer polnischen Zwangsarbeiterin ein Kleid nähen gelassen hat, hatten die Nazis den lang gesucht Grund ihn verhaften zu können gefunden“, erinnerte sich Ida Klosterkamp aus Freckenhorst. Während ihres Hauswirtschaftsjahres in Hoetmar habe sie am 19. Juli 1942 ein schwarzes Auto kommen gesehen, dass vor dem Pfarrhaus geparkt habe. Wenig später seien zwei Herren, Dechant August Wessing und dessen Schwester aus dem Haus gekommen. Ohne die Schwester, die weinend zurückgeblieben sei, sei Wessing nach Münster ins Gefängnis gebracht worden. In Hoetmar habe man sich gegen die Verhaftung wären wollen, aber sich nicht getraut einen Milchstreik durchzuführen. Auch ein persönlicher Brief des Gemeinderates an die Gestapo habe nicht zur Freilassung des Dechanten geführt.
     Stattdessen wurde dieser ins Konzentrationslager nach Dachau gebracht, wo er laut Mechthild Wildemann beschimpft, geprügelt und gequält wurde und als Sackstopfer arbeiten musste. Am 4. März 1945, knapp zwei Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges, starb Wessing in Folge von Fleckfieber. Sein Leichnam wurde durch Bestechungsgelder separat eingeäschert und anschließend nach Hoetmar gebracht. Genau drei Jahre nach seiner Verhaftung wurde seine Asche von Bischof Graf von Galen und unter großer Anteilsname der Bevölkerung in das Friedhofskreuz gestellt. Bis heute ist Dechant August Wessing den Hoetmarer eine Mahnung, für Frieden und ein gemeinsames Miteinander einzutreten und Krieg und Gewalt zu verachten.

Text u. Fotos: Stephan Ohlmeier