2016-09-03-michaeliskapelle-klEs war für viele Gläubige ein trauriger Moment. Zum letzten Mal feierten sie am Samstagabend in der Michaeliskapelle an der Gysenbergstraße Gottesdienst. In Anwesenheit von Superintendentin Meike Friedrich und Pfarrer Stefan Döhner wurde die Kapelle, in der bereits seit längerem aufgrund geringer Besucherzahlen keine Gottesdienste mehr gefeiert wurden, nach 56 Jahren entwidmet.

     Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten auch nach Hoetmar gekommen. „Wir hatten in unserer alten Heimat eine Kirche und wollen nun auch hier in Hoetmar eine solche bauen“, zitierte Pfarrer Stefan Döhner Artur Hübner. Im Sommer 1959 wurde mit dem Bau begonnen und am 16. Oktober 1960 nach nur fünfzehnmonatiger Bauzeit und über 5000 freiwilligen Arbeitsstunden der Gemeindemitglieder die Einweihung der Michaeliskapelle gefeiert. Für die junge evangelische Gemeinde war es ein Freudentag – ein langer Festzug zog von der evangelischen Schule zur neu erbauten Kapelle.
     „Wir nehmen heute Abschied von Mauern, die Väter und Mütter erbaut haben, um eine Heimat, Geborgenheit und Hoffnung zu finden“, sagte Döhner. Für die heutige Generation sei die Michaeliskapelle aber leider keine Heimat mehr und verwaise: „Die Kapelle ist lediglich für Pokemon-Go-Spieler das Zentrum Hoetmars.“ Seinen Glauben offen zu leben und Gottesdienst zu feiern, sei für viele Menschen in unserer Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit mehr. Vielmehr hätten viele einen heimlichen Vertrag mit Gott geschlossen und würden im Privaten und Stillen zu Gott beten. An Gelegenheiten seien Glauben zu leben, mangle es auch heute nicht – vielleicht am Mut.
     „Der Abschied ist für uns ein Verlust eines Teils unserer Seele“ sagte Pfarrer Döhner. Viele Erinnerungen an Menschen, schöne aber auch traurige Momente seien mit der Kapelle verbunden. Ein besonderer Dank gebühre in dieser schweren Stunde all jenen, die die Michaeliskapelle einst erbauten und über die Jahre zu einem intakten und lebendigen Gemeindeleben beigetragen haben: „Wir vertrauen auf Gott, die Vergangenheit als ein Geschenk Gottes anzusehen und die Zukunft als ein solches zu erkennen.“
     Superintendentin Meike Friedrich betonte, dass der Abschied von der Michaeliskapelle kein Abschied von Gott sei: „Wir sind Gottes Zeugen vor Ort und tragen zur Verkündigung der christliche Botschaft bei.“ Dennoch wünschte sie allen, die mit der Michaeliskapelle verbundenen Erinnerung noch lange im Gedächtnis zu behalten. Als „einen Moment, als ob die Welt untergehen würde“, bezeichnete Manfred Krampe, Pfarrdechant der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius und St. Lambertus, die Entwidmung. Als Zeichen der Hoffnung wolle er an der Lambertus-Kirche einen Apfelbaum pflanzen und lud die heimischen Evangelischen ein: „Wenn sie einen Ort zum Gottesdienst feiern oder zum Zusammenkommen benötigen, öffne ich gerne die Türen der Lambertus-Kirche.“
     Am Endes des Entwidmungsgottesdienst, denn der evangelische Posaunenchor unter der Leitung von Brigitte Stumpf-Gieselmann mitgestaltete, wurden die so genannten Prinzipalstücke aus dem Kirchraum getragen: Die Taufschale, das Abendmalgeschirr und die Altarbibel. Vor der Kapelle spendete Superintendentin Meike Friedrich den Valetsegen und gemeinsam wurde „Von guten Mächten treu und still umgeben“. Unter Begleitung des Presbyteriums wurden die Prinzipalstücke im Anschluss zur Pauluskirche in Freckenhorst gebracht. Die Entwidmung der Michaeliskapelle ist das Ergebnis eines längeren Abwägungsprozesses im Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Everswinkel-Freckenhorst. Geplant ist, das Grundstück in der kommenden Zeit zu veräußern.

Text u. Foto: Stephan Ohlmeier